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It's hard to be a vampire

Vampire: man wird zum Vampir, indem man gebissen wird, aber um ein Vollblutvampir zu werden, muss man sterben. Die meisten lagen sowieso im Sterben und der Biss hat den Vorgang nur beschleunigt, aber die Hauptperson wurde unter anderen Umständen gebissen und versucht seit dem auf jede erdenkliche Art Selbstmord zu begehen. Leider klappt es einfach nicht. Unsere Haupthauptperson rettet ihm so auch einmal das Leben und so lernen sie sich kennen - Love, romance,...

Es war dunkel und ich rannte wie eine Irre. Ach verdammt, ich wusste doch, wann die S-Bahn fuhr, warum war ich nicht eher losgegangen? Es war gegen halb 11 und ich auf dem Nachhauseweg von der Kneipe. Wir trafen uns regelmäßig zum trinken und Kartenspielen. Jedenfalls wäre das nicht das erste Mal, dass ich die Bahn verpasste, aber ich wollte nicht schon wieder ne Stunde auf dem Bahnsteig hocken.

Leider hetzte ich mich umsonst ab. Ich erreichte noch die Tür, da fuhr mir der Zug vor der Nase davon. Fluchend stampfte ich über den Bahnsteig, als ich bemerkte, dass ich nicht alleine war. Auf einer der Metallbänke saß ein gutaussehender junger Mann mit schwarzen Haaren. Mir war das total peinlich und ich verstummte sofort als ich ihn sah. Schnell holte ich meine Kopfhörer hervor und stellte mich in einige Entfernung hinter den Snackautomaten. Ab und zu warf ich ihm einen Blick zu, aber der Mann tat einfach nichts. War er vielleicht betrunken, so wie er den Boden anstarrte? Oder schlief er mit offenen Augen? Ich malte mir ein Szenario aus, in dem ich dem hübschen betrunkenen Mann nach Hause half und wir uns kennenlernten...sehr romantisch.

Plötzlich hörte ich ein zirpen auf den Gleisen. Die Bahn auf der Gegenspur kündigte sich an. Offenbar wollte der Mann zum Hauptbahnhof, denn nun stand er auf und ging zur Bahnsteigkante. Der Zug kam näher und plötzlich sprang er auf die Gleise. Ich war so perplex, dass ich festgefroren dastand, erst das Hupen der Bahn holte mich aus meiner Trance. Mit allen Kraftreserven sprintete ich zur Bahnsteigkante und sprang. Mit voller Wucht riss ich den Mann um und wir rollten hinter den Gleisen den Hang hinunter, rein in die Brombeeren. Ich hatte es irgendwie mit Brombeeren... ich landete öfter darin.

Mein Adrenalin pumpte und ich fühlte mich so lebendig, wie lange nicht mehr. Mit Mühe löste ich meinen Oberkörper aus den Dornen und richtete mich auf. Wo war der Verrückte? Alle viere von sich gestreckt, lag er neben mir im Gestrüpp. "Geht es Ihnen gut?", fragte ich besorgt, "was zur Hölle sollte das werden?" "98", sagte er nur "ich hab es versucht." Ohne mich weiter zu beachten, rappelte er sich auf und begann den Hang hochzusteigen. Ich kniete im Gestrüpp und war fassungslos. Hatte ich ihm nicht gerade das Leben gerettet? Wie konnte man so ignorant sein? Ich stand auch vorsichtig auf. Die Dornen hatten Löcher in meine Hose gerissen und meine Jacke hatte auch was abbekommen. Überall klebte mir der Dreck und ich blutete vermutlich auch irgendwo. Da mich der Mann ignorierte, beschloss ich, ebenfalls den Hang hochzuklettern und endlich nach Hause zu fahren. Ich war hundemüde. Als ich das Bahngleis erreichte, herrschte immernoch gähnende Leere und der Typ war auch verschwunden.

Ich seufzte tief und freute mich, als meine Bahn nach Hause endlich kam. Völlig geschafft fiel ich ins Bett. Was für ein Abend.

Der nächste Morgen war ziemlich unspektakulär. Ich hatte auf der Arbeit wenig zu tun und zu viel Zeit, nachzudenken. Es gab viele Gründe, warum jemand sterben wollen würde. Trotzdem wusste kein Mensch, was nach dem Tod kam. Außerdem würde man so viel Leben verpassen. Ich schüttelte den Kopf, da ich es nicht nachvollziehen konnte und wollte.

Abends bestellte ich mir Pizza und sah fern. Es hatte wieder eine Leiche gegeben. In den letzten 2 Monaten kam es immer wieder zu Mordfällen, bei denen dem opfer die handgelenke aufgeschnitten worden waren. Es war eindeutig ein Serienkiller, da er immer nach dem gleichen Muster vorging. Er schlug nachts zu, das Opfer wurde in eine dunkle Gasse gelockt und kaltblütig ermordet. Nur eine Sache hatten alle Opfer gemeinsam: ihre Blutgruppe war B negativ.

Ich seufzte und stand auf, um den Pizzakarton in den Papiermüll zu schmeißen, als mein Blick aus dem großen Wohnzimmer glitt. Da war doch etwas auf dem Dach.... Ich blinzelte und schaute angestrengt hinüber, als ich eine schemenhaft menschliche Figur erblickte. Was zur Hölle, machte der auf dem Dach? Sofort lief es mir heiß und kalt den Rücken runter. Er wollte doch nicht springen? Ich hielt eine Sekunde inne, dann rannte ich los. Wie eine Irre sprintete ich die Treppe runter, raus über den Parkplatz, rüber ins Nachbargebäude. Mit Eile drückte ich den Fahrstuhlknopf und zum Glück öffnete er sofort. Ich fuhr bis zur obersten Etage und rannte auch die letzte Treppe rauf. Ich betete, dass ich noch nicht zu spät war. Als ich die Dachterrasse erreichte, sah ich, dass das Schloss gebrochen worden war. Ich stieß die Tür auf. Als hätte er auf mich gewartet, stand der junge Mann an der Brüstung und machte Anstalten, hinüber zu klettern. Ich stürzte hin und griff nach seinem Ärmel, in dem Moment, als er sich gerade fallen lassen wollte. "Nein!", schrien er und ich gleichzeitig. Er ruderte mit den Armen, sein Pullover riss, ich knallte gegen die Mauer, er fiel, doch ich ließ nicht los. Verzweifelt hielt ich mit beiden Armen den zerrissen Pulli fest. Der junge Mann hing halb ausgezogen an der Mauer und schrie: "Lass mich los, verdammt!" Ich schrie zurück: "Nein! Es ist zu früh zum sterben!! Halt dich an mir fest!" "Ich bin erwachsen, ich kann sehr gut selbst entscheiden, was ich tue." "Das ist eindeutig die falsche Entscheidung! Jetzt halt dich fest!" Ich hatte Bärenkräfte entwickelt. Der junge Mann sah mager aus, aber aufgrund der Größe war er wohl schwerer als ich und ich spürte das auch, meine Muskeln brannten. Ich konnte ihn nicht hochziehen, aber ich würde ihn auf keinen Fall fallen lassen.

Plötzlich zogen zwei starke Arme den jungen Mann über die Brüstung. Eine mittdreißiger Frau stand neben mir. Sie hatte volle schwarze Locken, bronzefarbene haut und ein knallrotes, elegantes Kleid an. Sie sah nicht so aus, aber sie war ungeheuer stark. Der junge Mann in zerfetzem T-Shirt landete neben mir auf dem Boden und besah sich seine Kleidung. Ich lag völlig fertig auf dem Beton und konnte meine Arme nicht mehr benutzen. "Selbstmord ist eine Sünde.", sprach die Frau. Sie sah aus wie eine Sektenführerin, aber sprach wie eine fromme Gläubige. Der junge Mann antwortete: "Ach, lass mich in Ruhe mit euren dämlichen Geboten." Die Frau grinste, half dem Mann hoch und klopfte ihm den Dreck ab. Er schüttelte sie ab und wollte weg gehen, als er in der Bewegung inne hielt. Er machte auf dem Absatz kehrt und kam direkt auf mich zu. Ich dachte, er wollte mir hoch helfen, aber stattdessen zeigte er auf mich: "Du!". Ich hatte schon bemerkt, dass er ziemlich unzufrieden, unausgeglichen und aggressiv war. Dennoch war ich sprachlos. Er sollte dringend in eine Therapie machen.

"Du!", rief er nochmal. Ich hätte zurück brüllen können, dass er undankbar sei, aber ich beschloss, klug zu agieren. Der Mann wollte sich gerade umbringen, die Frau machte sich lustig über ihn und ich war die einzige, die hier klar denken konnte. Ich atmete einmal tief durch und griff dann nach seinem ausgestreckten arm, um mich Hochzuziehen. Er war etwas perplex. Ich klopfte mir den Dreck von den Sachen und sag ihm in die Augen. "Was ist mit mir?". Plötzlich sah ich, dass ich ihn schon kannte... Es war der gleiche Mann, den ich vor dem Zug gerettet hatte. "Lass mich verdammt nochmal sterben!" Ich hatte mich wieder gefasst: "du kannst alles tun, aber ich lass dich nicht dein Leben wegwerfen!" "Hör einfach auf, dich in Dinge einzumischen, die du nicht verstehst." "Hör einfach auf, Selbstmord zu begehen. Das Leben ist kein Ponyhof, aber wer sagt, dass es nach dem Tod besser wird? Außerdem bist du egoistisch." "Egoistisch? Weil ich meinen Tod selbst bestimme?" "Weil du Menschen, die ihr Leben noch vor sich haben, traumatisierst. Hast du mal darüber nachgedacht, wie scheiße es dem Zugführer geht, der dich von der Windschutzscheibe kratzen muss??", ich würde wütend, "oder was ein Kind empfindet, wenn vor ihm ein mensch auf dem Asphalt in tausend Einzelteile zerspringt?" Er war still. Darüber hatte er wohl noch nicht nachgedacht. Schließlich winkte er ab und ging einfach. Ich wollte ihm hinterher, aber die Frau hielt mich auf: "Wunden brauchen Zeit zum Heilen." Ich fand die Aussage selten dämlich, da er bereits mindestens zwei Selbstmordversuche hinter sich hatte. Wir hatten keine Zeit, seine Wunden heilen zu lassen. Ich riss mich los und rannte ihm hinterher, aber er war verschwunden. Als ich mich umdrehte, war die Frau auch verschwunden. War sie seine Freundin? Nein, dafür war sie viel zu alt. Ich sah auf die Uhr und erschrak, ich hab viel Zeit verplempert! Schnell zurück an die Arbeit!

Zwei Tage später war ich mit alten Schulfreunden was trinken. Es war gegen 3uhr, als ich mich leicht schwankend auf dem Weg nach hause machte. Hätte mich jemand gefragt, hätte ich geantwortet, dass ich gar nicht betrunken wäre, da ich ja noch klar denken konnte. In Wirklichkeit aber trudelten meine Gedanken um eine große Lücke herum. Mein Kopf war wie leergefegt und jeder Gedanke, der kam, ging auch gleich wieder. Ich erreichte eine der Brücken, die mich rüber in mein Viertel führten. Hier war immer viel los, da sie eine der Hauptverbindungsstraßen der Stadt bildete. Für Fußgänger war sie allerdings nur wenig geeignet, denn der Fußweg war sehr schmal. Ich erkannte die Umrisse einer Gestalt, die mir entgegenkam. Oder doch nicht? Oh anscheinend stand sie nur herum und genoss die Aussicht. Als ich näher kam, wurde das Bild, trotz Alkohol, etwas klarer... Da stand ein Mann auf der Brücke und starrte ins Wasser. Kannte ich den Mann? Plötzlich kletterte über das Geländer und machte Anstalten zu springen. Ach verdammt! Nicht schonwieder!! Wie eine verrückte talkelte ich zu ihm hin und erwischte ihn noch im Sprung. Da ich ein bisschen was getrunken hatte, verlor ich mein Gleichgewicht und der Mann riss mich mit über die Brüstung in die schwarze Tiefe.

Als ich die Augen öffnete, blendete mich eine Taschenlampe. "Was zum Teufel sollte das?? Ich hab dir doch gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen!!" Ich wollte etwas sagen, doch stattdessen hustete ich einen Schwall schwarzes Wasser heraus. Der Mann half mir, mich aufzusetzen und klopfte mir sanft auf den Rücken. "Niemand hat gesagt, dass du hinterher springen sollst." Ich hustete noch einmal und begann dann zu zittern. Meine Kleidung war klitschnass, ich war hundemüde und mein Kopf dröhnte vom Alkohol. Da der Mann selber klitschnass war, konnte er mir keine warme Kleidung geben und zog mich stattdessen auf die Beine. "Geh nach Hause, ehe du erfrierst." Kaum ließ er mich los, versagten mir die Beine vor Erschöpfung und ich wurde ohnmächtig."

Als ich das zweite Mal aufwachte, lag ich in einem 1,40m Bett. Das Zimmer war klein und chaotisch. Überall lagen Zettel, Klamotten und Gegenstände herum. Der Vorhang war zugezogen und ließ kein Tageslicht hindurch. Mühsam stand ich auf. Mein Kopf hämmerte, ich hatte wohl zu viel getrunken. Als ich an mir herunter sah, erkannte ich, dass ich ein großes T-Shirt und eine zu große Hose trug. Plötzlich stach eine Erinnerung hervor und ich wurde rot. Da war doch dieser Selbstmordtyp, ob er mich umgezogen hatte? Schnell versuchte ich mich zu beruhigen. Vlt war es seine Frau gewesen. Ich atmete tief durch und ging zum Fenster, um die Vorhänge zu öffnen. Strahlender Sonnenschein und ein Gefühl der Wärme umarmten mich. Es war herrlich. So im Tageslicht sah das Zimmer noch zugemöhlter aus, aber ich hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn ich musste dringend auf die Toilette. Vorsichtig öffnete ich die Zimmertür und stand in einer geräumigen dunklen Wohnung. Nur spärlich fiel Licht durch die heruntergelassenen Jalousien. Ich nahm an, dass die Tür zu meiner linken das Badezimmer war und öffnete sie leise. Ein Glücksgriff. Schnell eilte ich herein und versiegelte die Tür. Was für eine Erleichterung. Da ich schon einmal hier war, beschloss ich mich etwas frisch zu machen und probierte diverse Cremes, die herum standen. Schließlich ging ich wieder hinaus in den Flur/das große Wohnzimmer. Der Raum war räumliche durch eine Theke getrennt. Auf der einen Seite eine Wohnküche, auf der anderen war ein großes sofa und ein großer Fernseher. Ich sah eine Gestalt auf dem Sofa und ahnte richtig, dass es sich hier um den selbstmordgefährdeten Mann handelte. Ich schlich mich heran, um mich neben ihm zu setzen. Ich hatte einmal gelesen, dass man Menschen hypnotisieren kann, indem man ihnen im schlaf immer wieder die gleichen Dinge sagt. Ich beschloss es zu versuchenund flüsterte: "Ich will leben, du willst leben, ich will leben, du willst leben..."

Plötzlich öffnete er die Augen und die Worte blieben mir im hals stecken. Seine Augen blitzten wütend und ich wagte nicht, noch ein einziges Wort zu sagen. Ich hatte wohl ein Raubtier geweckt. Langsam richtete er sich auf, bis er neben mir saß, dann kam er mir unangenehm Nahe und flüsterte mir auch etwas ins Ohr: "um zu leben, muss ich sterben." Diese Aussage ärgerte mich dermaßen, dass ich mich zu ihm drehte und ihm den Mund zu hielt. Er hatte wohl nicht damit gerechnet und fiel nach hinten und ich oben drauf. Dennoch ließ ich mich nicht beirren: "Ja, man muss sich sein Leben verdienen und dafür kämpfen, aber der Tod wird uns alle holen und du wirst ihm nicht in die Hände spielen!" Seine Augen waren ganz nah und er musste meinen atem spüren. Als er sich von meiner Hand Befreien wollte, versuchte ich ihn daran zu hindern und irgendwie gerieten wir in eine Rangelei in der er die Oberhand hatte. Schließlich pinnte er mich mit den Armen über dem Kopf ans Sofa: "dir ist schon bewusst, dass du dich in den 4wänden eines unbekannten Mannes befindest?" Ich nickte unbeeindruckt: "und dir ist bewusst, dass sich mein Knie direkt zwischen deinen Beinen befindet?" Er sah auf mein Knie, sah mir wieder in die Augen und fluchte leise. Dann ließ er mich wieder los. Ehrlicher Weise musste ich zugeben, dass ich es genossen hatte, mal wieder mit einem Mann auf dem Sofa zu liegen. Seit mein Exfreund mich betrogen hat, hab ich mich nur noch auf die Arbeit konzentrieren und mich um andere gekümmert. An körperliche Nähe war gar nicht mehr zu denken ...

"Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?", fing er wieder an. Ich seufzte tief, dann klopfte ich ihm tröstend auf dem Rücken: "Ich kann dir zeigen, wie schön das Leben ist. Aber du musst mir versprechen, dass du dir professionelle Hilfe suchst." "Ha! Ich will und brauche verdammt nochmal keine Hilfe! Lass mich einfach sterben und gut ist!" Er schüttelte meine Hand ab und drehte sich wieder zu mir. Er sah aus wie eine Raubkatze auf dem Sprung. Er war schwer zu überzeugen und ich beschloss eine andere Taktik. "Na schön! Wenn sterben so toll ist, dann sollte ich es wohl auch versuchen." Ich sprang auf und ging geradewegs in die Küche. Der junge Mann sah mir nach, ungläubig und skeptisch. Ich schnappte mir das Küchenmesser und setzte es seitlich an meinem Hals an. "Irgendwelche letzten Worte?" "Das machst du eh nicht.", antwortete er, aber er beobachtete mich genau, er wusste nicht, wir weit ich gegen würde. Ich drückte die Klinge also leicht in die Haut und warmes Blut lief herunter. Der Schnitt war nicht tief, aber er erfüllte seinen Zweck. Der Mann sprang auf und schlug mir das Messer aus der Hand, dass es klirrend auf dem Boden landete. Ich ließ mich fallen und er hielt mich fest, ehe ich zu Boden sinken konnte. Mit der Hand presste er die Wunde zu. "Warum hast du das gemacht??" "Damit du erkennst, wie wertvoll dein Leben ist.", antwortete ich flüsternd. Sein griff wurde fester und ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber vermutlich war er wieder wütend. "Die Wunde ist nicht tief, wir sollten sie reinigen und was drauf kleben.", sagte ich, doch er reagierte nicht. Er stand hinter mir und seine Finger bohrte er in meine Schultern. Konnte er vielleicht kein Blut sehen? "Hey, alles in Ordnung?", fragte ich unsicher. Ich wollte mich umdrehen, aber sein Griff war eisern. Plötzlich spürte ich etwas an meinem Hals. War das... ein Kuss? Nein, eigentlich konnte man das nicht als solches bezeichnen. Viel eher saugte er an meiner Wunde, bis sie nicht mehr blutete. Dann machte er einen Schritt zurück: "Verbandszeug findest du im Badezimmer, ich muss kurz weg." Ich war sehr verwundert, über das, was gerade passiert war. Als ich mich umdrehte, war er aber tatsächlich verschwunden. Ich seufzte, verarztete die Wunde und schaute ein wenig fern. Ich wollte nicht nach Hause gehen, wenn ich nicht sicher war, ob er zurück kam.

Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ich wieder aufwachte, war es bereits hell. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken, weil ich kurz dachte, ich müsse zur Arbeit, aber es war Samstag und erleichtert ließ ich mich wieder in die Kissen sinken und schief weiter. Ich hatte den Schlaf wirklich nötig gehabt. Beim zweiten Mal wurde ich von süßem pancake Duft geweckt. Ich rieb mir die Augen und schaute rüber zur Küche. Dass ich immernoch bei einem Typen zu Hause war, dessen Namen ich nichtmal wusste, war mir irgendwie egal. "Na? Ausgeschlafen?", begrüßte er mich. "Deine Couch ist echt bequem." "Normalerweise lasse ich Frauen nicht auf der Couch schlafen, aber ich wecke auch keine schlafenden Raubkatzen." Ich schnaubte, wollte er schonwieder streiten? "Zeigst du dich eigentlich allen fremden Männern so?" "Wie, so?" Ich sah an mir herunter und musste feststellen, dass die Hose, die ich von ihm trug, nur noch auf halb acht hing. Schnell zerrte ich sie nach oben. Er grinste. Obwohl ich eigentlich mad sein sollte, war ich irgendwie erleichtert, dass er die Selbstmordversuche wohl erstmal sein ließ. "Wann bist du gestern nach Hause gekommen?" "Später, du hast geschlafen." Er war elegant meiner Frage ausgewichen. "Bist du nicht müde?" "Ein bisschen, wir können nach dem Essen gerne noch etwas schlafen." Ich wusste nicht, wie ich seinen Blick deuten sollte. Seine Wut war wohl in anzüglichkeit umgeschlagen. Irgendwie war mir das aber lieber als die Selbstmordversuche.

Er stellte die duftenden Pancakes vor mir auf den Tisch. Daneben eine Schüssel frischer Erdbeeren, Schokosauce und Schlagsahne. Ich war gerührt. Mir hatte noch nie jmd sowas gemacht... Ich unterdrückte die Tränen, die in mir Aufstiegen und langte zu. Der Geschmack war himmlisch!

"Du machst echt super Pancakes!", nach dem Essen half ich ihm beim Abwasch. "Danke, das hat mir meine Schwester beigebracht...". Ich spürte, dass da mehr dahinter steckte, sagte aber nichts.

"Kommst du mit ins Bett?", fragte er plötzlich. "Was, wieso?" "Wir können auch die Couch nehmen, aber im Bett ist mehr Platz." Ich war nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte... "Warum willst du, dass ich mit in dein Bett komme?", fragte ich vorsichtig. "Ist das nicht der Grund, warum du noch hier bist und dich noch nicht umgezogen hast?" Er musterte mich von Kopf bis Fuß. Zugegeben, ich war in der Wohnung eines fremden, in seinen Sachen, aß sein essen und war nach mehreren Gelegenheiten immernoch da, aber sowas zu denken? Mir fehlten die Worte...

Plötzlich fing er an zu lachen und ich war einfach nur baff. Er sah wunderschön aus, wenn er lachte. "Das war ein Witz. Als würde ich mit dir ins Bett gehen." Da war er wieder, dieser abschätzige Blick. Meine Wolke der Verblüffung verpuffte und ich hatte meine Coolness wieder. "Keine Sorge, ich bin wählerisch. Du fällst in mehreren Punkten durch." Nun musterte ich ihn abschätzig von oben bis unten. "Ist das so? Was stört dich denn? Ich bin groß, sportlich, symmetrisches Gesicht... Was willst du mehr?" Ich wusste, dass er mit Absicht übertrieb, aber ich stieg darauf ein: "naja als erstes...deine Ohren. 😎

😎 Die sind zu klein." "Meine Ohren sind zu klein?" "Und dann deine Beine...", ich lief um ihn herum, seine Beine betrachtend, "sie sind unterschiedlich lang." "Was??" "Und dann dieses wiiiinzige Paket...", weiter kam ich nicht. "Na warte!" Rief er noch, ehe er mich wieder auf die Couch tackelte. "Winzig sagst du?? Winzig? Willst du mal sehen, wie 'winzig' es ist?" Er war nicht wütend, das merkte ich an seinem Tonfall. Er war amüsiert und ich hatte ihn herausgefordert. Ich lag lachend auf dem Rücken auf der Couch. "Lass gut sein, zeig es mir später. Dein kurzes Bein klemmt mir das blut ab. Tatsächlich kribbelte mein bein schon, auf dem er saß. Er erhob sich und ich nutze die Gelegenheit, um wegzukrabbeln. "Moment! So leicht kommst du mir nicht davon!" Er packte mich an der Hüfte und zog mich wieder zu sich ran. "Bist du kitzelig?", fragte er noch, ehe er begann meinen Bauch zu krabbeln. Ich brach in lachen aus und versuchte mich zu lösen. "Warte, warte!", rief ich schließlich vor Erschöpfung. "Ich kapituliere und gebe zu, deine Ohren sind genau richtig groß." Er lachte, "war das alles?" Er kitzelte mich und ich musste wieder lachen. "Warte! Na schön, deine Beine sind fast symmetrisch!" "Damit kann ich leben. Er ließ von mir ab und legte sich neben mich auf den Rücken. "Sag mal

...wie heißt du eigentlich?"

Ich kam nicht dazu, ihm zu antworten. "Nanu? Störe ich?" Die Frau im roten Kleid stand plötzlich mitten im Raum. Der junge Mann sprang auf: "Du störst immer, was willst du?" War sie nicht seine Freundin oder so? "Ich dachte ich sollte mal nach dir sehen, aber du scheinst einen neuen Freund gefunden zu haben." "Wir kennen uns", ich stand auf und gab ihr höflich die Hand." "Ja ich erinnere mich, das Mädchen auf dem Dach. Wie habt ihr euch wiedergetroffen?" Ich sah den Mann an, seine Augen funkelten warnend. Ich schwieg. "Das war Zufall. Sie hat mir Essen geliefert.", er deutete auf leere Liederkartons im Mülleimer. Die Frau in rot warf mir einen wissenden Blick zu, sie ahnte wohl, wie wir uns wiedergesehen hatten. Wenn er sich wirklich so oft versuchte umzubringen, wie ich es in dieser kurzen Zeit erlebt hatte, dann wusste sie es sicher auch. "Wie auch immer. Und wie seid ihr euch so nahe gekommen?" "Nahe?", er rückte ein großes Stück von mir ab. "Sie trägt deine Sachen." Ich sah an mir herunter. Verdammt, das hatte ich total vergessen. Ich fühlte mich irgendwie ertappt. "Sie....sie hatte was verschüttet und dann hab ich ihr was zum Wechseln gegeben." Er könnte verdammt gut lügen. "Tatsächlich...?", die Frau in rot musterte mich wieder skeptisch. "Na mir soll's egal sein, ihr seid jung, habt Spaß!" "Danke.", antwortete ich verlegen. "Pass nur auf, dass Juli davon nichts mitbekommt." und schon war sie wieder zur Tür hinaus. Ich sah ihn fragend an: "Wer ist Juli? Deine Freundin?" "Nein! Definitiv nicht. Eher sowas wie eine Stalkerin." "Das solltest du anzeigen." "Die können da auch nichts machen." "Oh doch! Sie können sie verhaften!" "Glaub mir, das verstehst du nicht, sie ist anders." Ich hatte schon etwas Mitleid und auf einmal auch das Gefühl, beobachtet zu werden. Gruselig.... "Sie ist aber gerade nicht hier, oder?" Ich rieb mir meine Arme. Ich hatte Gänsehaut. "Ehrlich gesagt weiß ich es nicht, aber wir können es herausfinden." Ich sah mich um. "Wie?" Plötzlich zog er sich an mich heran und umarmte mich fest. Ich wurde total verlegen. "Wa...was..." "Psscht." Plötzlich wurde ich nach hinten gerissen und landete auf der Couch. Eine große irre Blondine stand vor mir. Ihre Haare sahen etwas verrückt aus und ihr Blick war irre. "Juli, schön dich zu sehen!", sagte der Mann zu ihr. "Wer ist diese Hure?", sie deutete auf mich und ich hatte das Gefühl, ich sollte ganz schnell verschwinden. "Nur eine Unwissende. Niemand wichtiges." "Warum umarmst du sie dann?" Ihre Stimme klang hysterisch. Hätte ich mein Handy gehabt, hätte ich sofort die Polizei gerufen. So wagte ich allerdings nicht, mich zu bewegen. "Sie brauchte Trost." "Pah! Warum interessiert sie dich? Du gehörst mir! Bring es endlich zu Ende!" Was war das für eine Verrückte?? "Was soll er zu Enden bringen?", ich ahnte worauf das hinauslaufen würde. "Er soll sich endlich umbringen!" "Sind Sie noch ganz bei Trost?", nun wurde ich wütend. Sie war also der Grund, für seine Psychose. Kein wunder, bei so einer Psychobraut. "Wie können sie einfach so über das Leben eines anderen Menschen bestimmen? Kennen sie das Wort 'toxisch'? Genau das sind sie! Eine toxische Person." Die Frau lachte irre. "Ein kleines Menschlein versucht mich zu belehren. Du hast keine Ahnung, mit wem du hier sprichst. Halt dich da raus und dir wird nichts passieren." "Wenn sie sich aus seinem Leben heraushalten, dann kann ich auch heraushalten, aber solange sie ihm drohen, werde ich ihn weiter verteidigen!!" "Mädchen, du willst mich wohl herausfordern?! Aber wenn ich gewinne, dann gibst du mir freiwillig dein Blut!" Was zur Hölle war sie?? Eine Sektenführerin? "Und wenn ich gewinne, dann geben Sie mir ihr Blut und lassen ihn ein für allemal in Frieden!!", das Spiel konnte ich auch spielen. Der junge Mann schien nicht zu wissen, ob er nervös oder erleichtert sein sollte. "Wie genau wollt ihr euch denn messen?", fragte er. Ich überlegte kurz. Verrückte hatten oft erstaunliche Kräfte, daher würde ich in einem Muskelkampf wahrscheinlich unterlegen sein. Allerdings war ich sehr gut in einem Spiel. "Wer zuerst lacht, verliert!" "Willst du mich zum Narren halten?" "Wenn sie es zulassen..." "Den Teufel werd ich tun!" Sie schnappte sich einen Stuhl und setzte sich mir gegenüber. "Er ist der Schiedsrichter." Ich deutete auf den Mann. Er nickte etwas verwirrt. "Dann geht's los!" Ich bereute ein wenig, keine weiteren Regeln festgelegt zu haben, aber vielleicht war das auch zu meinem Vorteil. Ich konzentriertr mich auf meine ehrliche Angst vor dieser Frau. Mir war wirklich nicht zum Lachen zu Mute. Sie begann irgendwelche Markaberen Witze zu erzählen, warum auch immer das lustig sein sollte. Mir fiel dann auch etwas ein. Es war zwar gemein, dritte mit hineinzuziehen, aber es könnte helfen. "Haben Sie eine ausgeprägte Fantasie?" "Wer will das wissen?" "Finden Sie nicht auch, dass unser Freund hier ein wenig wie ein trauriger Elefant aussieht?" "Ein trauriger was...?" "Und jetzt stellen Sie ihn sich nur in Unterwäsche mit einer Elefantenunterhose vor..." Der junge Mann war knallrot angelaufen. Die Hexe starrte ihn an, sie presste die Lippen fest aufeinander, ihre Wangen blähten sich auf und sie brach in Schallendes Gelächter aus. "Hahahaha ich kann nicht mehr! In einer pinken Elefantenunterhose!! Hahahahahaha" Es hatte funktioniert, sie hatte meinen Gedankengang weitergesponnen und es hatte ihren Humor getroffen. Zufrieden nickte ich. Der junge Mann sah aus, als wäre er am liebsten im Boden versunken. "Warum ich?", sagte mir sein Blick. "Mädchen, du hast mich überrascht, aber du gefällst mir! Ich werde dich verschonen!" "Moment, Moment! Der Deal war ihr Blut und seine Freiheit." "Ich habe nichts unterschrieben. Dein Preis ist deine Unversehrtheit." "Pah! Von wegen! Ich verlange, dass sie die Abmachung einhalten." Die Frau überlegte kurz. "Hmm weil ich dich mutig finde, gebe ich dir mein Blut. Unseren jungen Freund hier, werde ich nun auch in Ruhe lassen. Ich brauche ihn nicht zu beobachten, um zu wissen, wie es ihm geht. Unsere Verbindung geht tiefer." Sie überreichte mir ein kleines Fläschchen. War das ihr Blut? Trug sie sowas immer mit sich herum? Ein schauer lief mir über den Rücken. "Farvel", rief sie noch und verschwand durch die Terrassentür. Was für eine verrückte Gesellschaft war das?? Ich drehte mich langsam zu dem Mann um. "Alles in Ordnung?", fragte er vorsichtig. "Kennst du noch mehr so Kranke Frauen?", fragte ich und ich meinte es verdammt ernst. Ich hatte schon eine gewisse Todesangst gespürt. "Die schlimmsten hast du schon kennengelernt ", sagte er leichthin. Ich atmete tief ein und aus und schlang meine zitternden Arme um mich. "Kannst du mich nochmal umarmen?" fragte ich bittend. Er nickte nur, kam auf mich zu und nahm mich fest in den Arm. "Es tut mir leid.", flüsterte er. "Du hast keine Ahnung, mit was du es zu tun hast."

Nach der Umarmung hatte ich meine getrockneten Sachen wieder angezogen und war nach Hause gegangen. Ich musste dringend duschen und meine Freundin hatte mich 5x versucht, anzurufen. "Hey Piña, was gibt's?" "Endlich gehst du ran! Ich hab mich schon gefragt, ob was passiert ist!" "Ich hab nur ne crazy Sektenführerin kennengelernt und ihr Hündchen, nichts wildes", sagte ich mit einem lachen. Innerlich bekam ich Gänsehaut, wenn ich an die Frau zurück dachte. Wir verabredeten uns auf ein paar Cocktails und ich muss ehrlich zugeben, ich hatte die drinks bitter nötig. Piña hörte aufmerksam zu, als ich ihr die Geschichte von vorne bis hinten erzählte. "Sieht er süß aus?",war ihre erste Reaktion. Ich verdrehte die Augen und lachte: "ich schwebte in Lebensgefahr und du fragst, ob er süß war?" "Ach komm tu doch nicht so. Du hättest dich nie mit ihm gebattlet, wenn er dir nicht gefallen würde." Ich musste zugeben, dass sie voll ins Schwarze traf. Der junge Mann (ich kannte seinen Namen noch immer nicht) sah wirklich unverschämt gut aus. Ein Jammer, dass er sich umbringen wollte. Ich fragte mich, ob es was mit dieser Sekte zu tun hatte...

Ein wenig betrunken talkelte ich nach Hause. Auch wenn ich irgendwie noch alles wahrnahm, war mein Kopf ein Topf mit Spaghetti. Man sah nicht, wo eine Nudel anfing und die andere aufhörte. Meine Konzentration war völlig im Eimer. Auf dem Weg stolperte ich mehrmals über Pflastersteine, Bordsteinkanten und einmal stieß ich gegen eine Mülltonne, die plötzlich vor mir stand. Plötzlich hatte ich diesen hirnrissigen Gedanken, doch nicht nach Hause zu gehen, sondern zu gucken, ob der Mann brav zu Hause war. Je mehr ich mich hineinsteigerte, desto mehr geriet ich in Panik, er könnte sich wieder was angetan haben. Ich klingelte Sturm, als er verschlafen die Tür öffnete. Als ich ihn sah, warf ich mich heulend in seine Arme. Vielleicht war ich etwas emotional geworden durch den Alkohol...

"Was ist denn mit dir passiert?", fragte er mich. Ich versuchte einen verständlichen Satz zu formulieren, doch es waren nur zusammenhangslose Worte: "Du...dachte....ich....aufhalten....hier" Er tätschelte mir den Kopf und setzte mich aufs Sofa. Während ich noch verworrene Sachen plapperte, half er mir, meine Jacke auszuziehen, die Schuhe und bedeutete mir, meinen Kopf auf das Kissen zu legen. Kaum lag ich, war ich auch schon eingeschlafen.

Ich erwachte vom süßen Pfannkuchen Geruch. Als ich meine Augen öffnete, kam mir der Raum verdächtig bekannt vor und ich hatte ein heftiges dejavue. Als ich mich jedoch aufsetzte, fühlte sich mein Kopf an, als wäre eine Horde Elefanten darüber getrampelt. Das war definitiv kein dejavue. War ich nicht nach Hause gegangen? Wieso war ich wieder hier? Ich linste rüber zur Küche, wo der hübsche junge Mann gerade Obst schnippelte und auf dem Pfannkuchen verteilte. Dann kam er mit zwei Tellern zu mir herüber und setzte sich wortlos neben mich. Ich starrte ihn an. Was war gestern passiert? Ich schaute an mir herunter, aber ich trug noch meine Kleidung, die ich gestern zum Ausgehen mit Piña angezogen hatte. Richtig! Ich war mit Piña ausgegangen. Warum war ich hier? Ich schielte rüber zu ihm. Er merkte es, schon meinen Teller näher zu mir und sagte nur: "Iss". Ich beschloss dem Folge zu leisten. Irgendwie hatte ich seit nem halben Tag nichts gegessen. Die Cocktails hatten echt reingehauen.

Die Pfannkuchen verbesserten ganz klar meine Motivation. Ich fühlte mich nach dem Essen schon sehr viel besser und es hatte wirklich toll geschmeckt! "Danke.", sagte ich, als der Mann mir den leeren Teller abnahm, um abzuwaschen. Ich trank währenddessen den Kaffee, den er mir hingestellt hatte. Das Zeug war heftig, aber es wirkte. Nach dem Abwasch kam er wieder zu mir. "Wie heißt du?", fragte er mich. "Lima.", antwortete ich aus Reflex. "Wie die Bohne?" "Nein, wie die Hauptstadt von Peru." Eine Standart-Unterhaltung, ich musste nicht nachdenken. "Wie alt bist du?" "25" "Warum bist du hier?" Ich sah ihn mit großen Augen an: "Ich hatte gehofft, du kannst mir diese Frage beantworten." Er sah mich an. "Ich kann dir die anderen Fragen beantworten: Ich bin Ryn, 27 Jahre alt und du hast gestern Nacht Sturm geklingelt, wie ein Schloßhund geheult und bist dann auf meiner Couch eingeschlafen." Ich hielt mir vor Scham die Hände vors Gesicht. "Das hab ich getan?" "Glaubst du, ich hab mir das usgedacht? Wer sitzt denn auf wessen Sofa?" Ich wäre am liebsten im Boden versunken. "Das tut mir wirklich leid! Ich bin eigentlich nicht so..." "Stell dir vor ich wäre ein Perverser. Ich hätte die Situation voll ausnutzen können." "Jaa ich weiß, es tut mir leid und ich bin ihnen dankbar, dass sie an sich gehalten haben." Es mochte vielleicht abgedroschen klingen, aber er hatte Recht, es gab viele verrückte Menschen auf der Welt. "Oder stellen sie sich vor, jemand hätte die Polizei verständigt. Dann wären sie jetzt in der Ausnüchterungszelle..." Ich nickte betreten. "Danke, dass sie mich aufgenommen haben." Er nickte nachdrücklich.

"Nanu? Hab ich ein dejavue?", die Stimme aus dem Off unterbrach uns. Mitten im Wohnzimmer stand die Frau im roten Kleid. Langsam fragte ich mich, ob sie vielleicht nur dieses eine Kleid besaß. "Da wir uns nun so nahe stehen, will ich dir eine Freundin vorstellen.", sagte Ryn plötzlich. Seit wann standen wir uns nahe? "Das ist Jeanne. Sie ist meine..... Patentante." "Pff, deine Patentante? Dass ich nicht lache.", murmelte sie, aber ich verstand es trotzdem. "Sehr angenehm, Mam, ich bin Lima." "Wie die Bohne?", fragte sie. "Natürlich nicht", kommentierte Ryn, "wie die Hauptstadt von Peru." Ich nickte nur verwirrt. "Was arbeiten Sie, Lima? Sie scheinen viel Zeit zu haben. "Oh ich arbeite in einer Firma, die Produkte zur nachhaltigen Energiegewinnung vertreibt." "Ich verstehe. Und was machen Sie schonwieder hier? Ist Ryn mal wieder unter die Räder gekommen oder so?" Sie sagte es, als sei es etwas witziges, aber das war es nicht. Ich griff nach Ryns Hand. Er musste bestimmt nervös sein, dass man so über seine Selbstmordversuche sprach. "Nicht, solange ich es verhindern kann." antwortete ich. Ryn schüttelte meine Hand ab. "Sie stand letzte Nacht betrunken vor der Tür. Ich konnte sie so nicht da stehen lassen." "Soso", antworte Jeanne amüsiert, während ich am liebsten im Boden versunken wäre. Ich beschloss schnellstmöglich das Weite zu suchen. Pro Forma warf ich einen Blick auf die Uhr: "Ach es ist schon so spät, ich muss los. Wir sehen uns!" und schon war ich zur Tür raus. Draußen bemerkte ich, dass ich meine Schuhe und Jacke vergessen hatte, aber ich beschloss später zurück zu kommen und jetzt erstmal schnell zu verschwinden. Niemand folgte mir.