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Die Uhr tickt

Man könnte meinen, ich wäre verrückt. Ich würde nicht wissen wie der Körper funktioniert und hätte keine Ahnung darüber wie es sich anfühlt dem Tod nahe zu sein.

Ich hatte mit Unterstützung gerechnet, da ich wirklich mit jeder Person die ich kannte darüber gesprochen habe. Aber Seltsamerweise ignoriert mich jetzt jeder.

Jedesmal wenn ich die Erinnerungen an diesen Abend hervorrufe, überkommt mich das gruseln. Alles wirkte schließlich so echt, dass ich den Worten dieses Wesens tatsächlich geglaubt habe.

Das kleine Schiff in welchem ich sitzte, bringt mich auf die Insel, welche mich angeblich heilen kann. Als ich meine Augen auf das schweigsame Meer richtete, erinnerte ich mich wieder an jenen Abend...

Ich lag in meinem Bett und hatte gerade mein Handy weggelegt. Still blickte ich aus dem Wasser und zählte die Regentropfen welche an der Scheibe herunterflossen.

Es war die beste Methode um schnell Müde zu werden., vor allem wenn man am nächsten Tag eine Klausur schreibt.

Wie gewohnt hatte mein Einschlafritual funktioniert und ich war tief und fest im Reich der Träume versunken.

Doch ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass diese Nacht mein Leben für immer verändern würde.

In der Nacht zog eine unsichtbare und mysteriöse Kraft die Decke von meinem Körper und ließ mich aus dem Tieflschlaf erwachen.

Anfangs schob ich das ganze noch auf den Wind, doch ich hätte mich nicht fataler irren können. Was ich sah, lässt sich kaum in Worte beschreiben.

Eine schneeweiße Hand welche unter meinem Bett hervorkroch, hielt meine Bettdecke mit ungeheurer Kraft fest.

Diese kalte und kahle Anatomie welche sich in die Fasern der Stoffecke vergraben hat, ließ mich vor Angst erstarren.

Ich schrie auf, doch es kam kein Ton aus meinem Mund. Stattdessen musste ich wortlos mit ansehen, wie eine grässlich lächelnde Visage aus derselben Dunkelheit hervorkam, wie die Hand.

Die schmierigen schwarzen Haare, die unnatürlich grellen Zähne und diese toten schwarzen Augen durchbohrten meine Seele binnen von Sekunden.

Es war anders als einen gewöhnlichen Menschen in die Augen zu sehen. Je tiefer ich in die Augen des Wesens blickte, desto mehr verlor ich den Verstand.

Ich weiß noch genau in was für eine Panik ich verfallen war, als dieses schreckliche Wesen anfing zu reden.

Es klang nicht wie eine gewöhnliche Sprache. Viel mehr wie ein Dämon der versucht anhand von verschiedenen Stimmschnipseln Worte zu imitieren.

"DU HAsT DRei tAGe zU LEBen"

"WeNN dU LebEN wiLLst, BesUChe dIE Insel KamURa uND brEcHe dEiNen FluCH"

Die verzerrte und sich dauernd-abwechselnde Stimme des Dämons sucht mich noch immer heim und hallt wie ein Echo in meiner Schädeldecke.

Das überschwappen einer Welle auf das kleine Deck des Bootes welches noch immer fleißig über das Meer fuhr, holte mich aus meinen Gedankenkarussel heraus.

"Die Insel Kamura..."

Gen Horizont ist die unheilvolle und dunkle Silhouette der Insel gut zu erkennen. Zwar ist es schon Abends, aber dennoch ging mir dieser gruselige Schandfleck einer Insel nicht aus den Augen.

Die einzige Insel in ganz Japan, welche komplett ohne Elektrizität lebte und ihren Lebensstil von einer nur dort vertretenden Religion vorschreiben ließ.

Das etwas mit diesem Ort nicht stimmte, wusste ganz Japan. Aber niemand kam bislang auf die Idee, sich das ganze mal genauer anzusehen.

Bis auf ein paar Artikel im Internet über die Insel und grobe Auszüge aus der Religion die dort vertreten war, gab es nichts an Informationen über Rogetsu.

Der alte Kapitän welcher mich für Lau rüber zur Insel brachte, wusste auch nicht viel über diesen Ort.

Alle paar Wochen brachte er Nahrungsmittel an das Ufer von Rogetsu. Gesehen hat er bislang niemanden, obwohl die Lebensmittel weg waren, sobald er seine Augen auch nur eine Sekunde von diesen abwandte.

Ich wusste zwar das all das eine unfassbar blöde Idee war, aber falls ich wirklich eine Chance hätte meine normale Lebenserwartung wiederherzustellen, dann ist es mir das ganze Wert.

Ich habe meinen Eltern bloß einen hektisch-geschriebenen Abschiedsbrief hinterlassen uns ihnen gebeten, meine kleine Schwester von all dem nichts zu erzählen.

Sie war schon immer ein emotionaler Mensch und konnte mit Verlusten nicht besonders gut umgehen. Ich würde es nicht ertragen können, diese gruselige Reise auch noch mit einem schlechten Gewissen zu bestreiten.

"Hey, Junge ! Wir sind gleich da !"

Der alte Kapitän ließ seine Schiffshupe mehrfach ertönen.

"Spring schnell raus ja ? Ich bleibe hier nicht gerne."

Murrt der Kapitän mit ernsten Blick.

"Jawohl"

Antwortete ich so freundlich es nur geht.

Der schäbige Bootssteg kam immer näher und berührte schon fast die rostigen Wände des alten Kutters.

Sofort sprang ich auf und setzte Fuß auf das knarzende Holz.

"Haben Sie vielen Dank."

Ich verbeugte mich vor dem Kapitän aus Anstand.

Als ich meinen Kopf hebe, hört mein Herz kurzzeitig auf zu schlagen.

Das Gesicht des Kapitäns war verwest und teile seines Körpers waren sogar komplett verzerrt.

"Willkommen in der Hölle, Junge." Kicherte er diabolisch und krankhaft, während er sein Schiff manövrierte und von der Insel fuhr.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und richtete meinen Blick auf die dunkle Insel Rogetsu.

Natürlich wusste ich schon vorher, dass die Insel über keinerlei Elektrizität verfügt. Daher nahm ich eine billige Taschenlampe von Zuhause mit und steckte gut zwei dutzend Batterien in meinen Rucksack.

Die Taschenlampe blitzt auf und vor mir war nichts weiter, als ein alter Bootssteg auf welchem ich Stand und ein unfreundlich aussehender Wald.

Die ersten Schritte in Richtung des Waldes waren bei weitem die schlimmsten. Desto weniger ich darüber nachdachte an welchem Ort ich eigentlich war, desto einfacher viel es mir durch die Dunkelheit zu laufen.

Es war still, totenstill. Nichtmal eine Eule oder das zirpen von Grillen konnte ich hören. Nur das Rascheln der Baumkronen füllte die Umgebung mit leisen Klängen.

Das zitternde Licht in meiner Hand ist das einzige, was meiner Psyche ansatzweise helfen konnte. Schließlich würde ich nicht wissen wie es wäre, müsste ich in absoluter Finsternis durch diesen unheilvollen Wald laufen.

*Bam*

*Bam*

Wie aus dem nichts konnte ich plötzlich eine Trommel in weiter Ferne hören.

Sofort lief ich schneller zum Ursprung des ominösen Klangs und vergaß mehr und mehr die gruselige Umgebung in welcher ich mich eigentlich befand.

Desto näher ich dem Trommelspiel kam, desto besser konnte ich die gesamte Kulisse hören.

Es war nicht nur ein dumpfes Schlagen in einem ungleichmäßig Rythmus. Ein Chor verlieh dem ganzen einen Rituellen Unterton.

Ich konnte die unbeschreiblich konfusen Wörter gut genug verstehen, um sie leise für mich selber zu zitieren.

"Dri Kalo Zri Nov"

Murmelte ich leise.

Obwohl ich niemanden in meiner Nähe sehen konnte, hatte ich eine ungeheure Angst davor gehört zu werden.

Mit der Zeit wurde das Licht in meiner Taschenlampe schlechter. Wie zu erwarten von so einem Teil.

Ich wechselte die Batterien zügig aus und das Problem war fürs erste gelöst...zumindest dachte ich das.

Seltsamerweise schien meine Taschenlampe immer noch nicht so hell wie vorher.

Erst jetzt bemerkte ich, dass es nicht die Taschenlampe war die ihre Arbeit nicht vernünftig machte.

Nein, es war meine Umgebung welche besser ausgeleuchtet war als zuvor.

Als ich meinen Blick nach oben wandte, konnte ich einzelne Rauchschwaden erkennen, welche in den sternenlosen Himmel aufsteigen.

Ich rannte los so schnell ich konnte. Eigentlich bin ich ein sehr introvertierter Mensch, doch noch nie im Leben habe ich mich so sehr nach der Nähe anderer Menschen gesehnt.

Vor meinen Augen erstreckte sich ein Dorf bestehend aus alten Hütten und Feldwegen welche mit Fackeln ausgeleuchtet waren.

Das ganze wirkte auf mich wie eine Zeitreise zurück in die Edo-Periode.

Ich zog an den alten Hütten und lodernden Flammen vorbei, und sah den Ursprung der unheilvollen Musik.

Im selben Moment sprang meine Hoffnung andere Menschen zu sehen, in tausend kleine Teile.