1 Die Frau in Weiß

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Der Geruch von Blut, Schießpulver und Tod erfüllte die Luft. Die zahlreichen Hubschrauber klangen wie Trommelschläge, die die Hinrichtung von Verbrechern ankündigten. Rufe und Schreie mischten sich mit Schüssen. Rauch stieg in den Nachthimmel auf wie ein böses Phantom, das im Begriff war, den Mond und die Sterne zu verschlingen.

Im Inneren der Villa beobachtete eine junge Frau in einem weißen Kleid diese Szene aus der Hölle. Sie stand in der Dunkelheit und ließ ihre smaragdfarbenen Augen über das Blutbad unter ihr schweifen. Das Mondlicht spiegelte sich auf ihrem goldenen Haar.

Sie sah jenseitig aus, wie eine Fee, die Sterblichen dabei zusah, wie sie sich gegenseitig umbrachten, während sie selbst unbeteiligt und rein blieb.

Leider war sie nicht unsterblich. Es war ihr Schicksal, in dieser Nacht zu sterben.

Sie schloss ihre Augen und seufzte. Sie warf einen letzten Blick auf den Albtraum, der sich draußen abspielte, drehte sich um und ging auf den Flügel im Zimmer zu.

Die fünf Leibwächter, die sie beschützten, bewegten sich ebenfalls mit ihr, blieben aber ansonsten still und unsichtbar.

Sie wusste, dass diese Nacht ihre letzte sein würde. Sie wusste nicht, ob ihr älterer Bruder, ihr Vater und ihre Mutter noch am Leben waren. Vielleicht waren sie bereits getötet worden. Nach dem, was sie draußen sah, planten die Feinde, sie alle zu vernichten.

Mit ihrem guten Gehör hörte sie, wie die Feinde schließlich in das Herrenhaus eindrangen. Die Schüsse ertönten lauter, als sie näher kamen.

Ihre fünf Leibwächter spannten sich an und traten näher an sie heran. Ihre mörderischen Augen starrten auf die Tür.

Vorsichtig setzte sie sich vor das Klavier. Es würde bald ihr Ende sein. Das Mindeste, was sie tun konnte, war Musik zu spielen, um die Seelen der Getöteten in dieser Nacht zu begleiten, wenn sie diese Welt verließen. Sie holte tief Luft und ihre Finger tanzten auf der Tastatur.

Beethovens "Für Elise" begann durch die Mordgeräusche in der Luft zu sickern.

Peng!

Die Zimmertür krachte auf. Die Leibwächter begannen sofort mit den Soldaten und Polizisten zu schießen.

Der Geruch von Blut und Schweiß wurde stärker, aber die schöne junge Frau in Weiß spielte Klavier, als ob nichts um sie herum geschähe. Selbst als zwei Kugeln ihre linke Schulter und ihre rechte Hüfte durchbohrten, spielte sie weiter, ohne einen Takt zu verpassen.

Die Musik ergänzte die Geräusche des Gemetzels so gut, dass die zuhörenden Soldaten und Polizisten eine Gänsehaut bekamen. Der Kontrast zwischen der Musik und der Gewalt wirkte fast mystisch.

Die fünf Leibwächter kämpften, um ihre Dame zu beschützen, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben. Sie wurden von klein auf zu emotionslosen Attentätern ausgebildet. Sie töteten ein paar, aber die Feinde waren ihnen zahlenmäßig weit überlegen.

Schließlich starb auch der letzte der Leibwächter.

"Hände hoch!", rief ein Polizist.

Die schöne Frau in Weiß ignorierte ihn, schloss die Augen und wiegte sich, während sie weiter auf dem Klavier spielte.

Die Soldaten und die Polizisten hatten ihre Waffen erhoben und auf die schöne Frau gerichtet, die spielte, als wäre sie der einzige Mensch auf der Welt. Ihr makelloses weißes Kleid war nun dunkelrot gefärbt, denn aus ihren Wunden floss ständig Blut.

Jeder im Raum war fasziniert von ihrer überirdischen Schönheit und Eleganz.

Wie schade.

Ein Soldat knirschte mit den Zähnen. "Wir haben Befehle. Feuer!"

Die Frau lächelte sanft, bevor die Kugeln ihren Rücken durchbohrten. Ihr Blut spritzte wie Rosenblüten in die Luft und plätscherte dann wie Regentropfen auf den Boden.

Die Musik verstummte abrupt.

Ihr Körper sackte über dem Klavier zusammen, schlug gegen die Klaviatur und erzeugte eine unharmonische Melodie. Ihre smaragdgrünen Augen verloren schnell an Leben, aber sie waren immer noch schön.

Sie ließ sich zu Boden gleiten und fiel hart hin.

"Endlich bin ich frei." Ihre Stimme war ein leises Flüstern.

Dann hauchte sie ihren letzten Atemzug.

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