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Die Wahrheit

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Obwohl Xue Xis Bewegungen leicht anmuteten und sie scheinbar nur ihre Hand auf Frau Qins Schulter gelegt hatte, wusste nur diese, wie kräftig das Mädchen wirklich war. Sie konnte sich nicht befreien, egal wie sehr sie sich auch bemühte.

Frau Qin konnte nur wutentbrannt starren. "Das ist eine Angelegenheit unserer Familie. Ein kleines Mädchen wie du sollte sich da nicht einmischen!"

Kaum hatte sie es ausgesprochen, verstärkte sich der Druck auf ihren Schultern und sie fühlte, als würden ihre Knochen zerdrückt. Sie ließ Qin Shuang notgedrungen los.

Als Qin Shuang wieder frei war, versteckte sie sich fast instinktiv hinter Schwester Xi, die im 'Kämpfen' bewandert zu sein schien.

Frau Qin wollte sie ergreifen, doch der alte Liu mahnte: "Frau Qin, bewahren Sie Ruhe. Wir haben Sie geholt, um das Problem zu klären, also fangen Sie bitte kein Gerangel an. Zudem ist die Angelegenheit nicht so weitreichend, dass jemand von der Schule suspendiert werden muss."

Für eine 18-Jährige war das Stehlen von Geld eine ernste Angelegenheit, und die Androhung von Strafpunkten wurde als mildeste Sanktion angesehen.

Doch Old Liu hatte Mitleid mit Qin Shuang. Würde sie so abgeführt werden, wäre ihr ganzes Leben zerstört.

Er stellte sich geschickt zwischen Xue Xi und Frau Qin. Er fürchtete, dass Frau Qin auf die gehorsame, vernünftige und scheinbar schwächliche Xue Xi losgehen würde, deshalb schützte er sie von vorn.

Frau Qin wollte den alten Liu beiseiteschieben. "Herr Liu, treten Sie bitte zur Seite und verteidigen Sie Qin Shuang nicht. Hat sie denn nicht schon ähnliches verbrochen? Ich sage Ihnen, schon lange kümmere ich mich nicht mehr um sie und tue so, als hätte ich keine Tochter wie sie. Jetzt, wo sie es gewagt hat, Qin Lu zu verleumden, lasse ich sie nicht so einfach davonkommen! Seit ihrer Kindheit ist sie so. Nicht genug, dass sie nicht gut lernt, sie will auch noch ihre Schwester mit hinunterziehen!"

Alter Liu versuchte sie besorgt zu beruhigen. "Frau Qin, beruhigen Sie sich…"

Als Xue Xi sah, wie sie sich stritten, sprach sie langsam und ihre ruhige, klare Stimme drang an jedes Ohr im Büro. "Also sind Sie sicher, dass Qin Shuang die Täterin ist?"

Frau Qin blickte verwirrt auf, bevor sie nickte. "Ja."

Xue Xi erwiderte: "…Oh. Dann bleibt uns nur, die Polizei zu rufen."

Das Büro erstarrte bei diesem Satz.

Frau Qin hörte auf, herumzutoben, und sah Xue Xi fassungslos an. Sie warf einen weiteren Blick auf Qin Shuang. "Die Polizei rufen? Wissen Sie nicht, was mit Qin Shuang passieren wird, wenn Sie die Polizei rufen? Als Erwachsene müsste sie für den Diebstahl ins Gefängnis!"

Qin Shuang schoss ihr einen Blick zu, der ebenso lächerlich wie erbärmlich anmutete.

Da sie bereits zu Qin Lus Seite stand und überzeugt war, dass sie die Böse war, warum musste sie so tun, als ob sie sich um sie sorgte?

Ihr Gesicht brannte vor Schmerz, aber ihr Herz tat noch mehr weh, obwohl sie glaubte, es bereits abgestumpft zu haben!

Keiner drängte sich vorwärts zu sprechen und Xue Xi konnte endlich loslegen. Rational und gefühlsfrei analysierte sie die Situation. "Kriminologen haben ausgezeichnete Mittel. Da der Umschlag bis zu seinem Herausfallen unter Qin Shuangs Tisch lag und sie ihn nicht berührte, können die Fingerabdrücke auf dem Umschlag verglichen werden. So können wir den Dieb ermitteln."

Bei diesen Worten fror Qin Lu, die zuvor noch geschluchzt hatte, ein.

Sie hob ihren Kopf ungläubig, und als ihre Augen die von Xue Xi trafen, fühlte sie sich, als hätte diese durch sie hindurchgesehen. Aus unbekanntem Grund zitterte Qin Lu.

Xue Xi sah nicht zu ihr und sagte zu Qin Shuang: "Traust du dich, die Polizei zu rufen?"

Qin Shuang richtete sich auf. "Ja!"

Beim Hören der Unterredung lachte Frau Qin vor Wut. "Glauben Sie, ich würde Ihnen glauben, wenn Sie die Polizei rufen? Qin Shuang, ich wollte um deinetwillen die Polizei nicht rufen. Wenn andere Qin Lu unrecht getan hätten, hätte ich längst die Polizei gerufen! Ruf die Polizei und lasse sie die Beweise sichern. Wenn du ins Gefängnis willst, werde ich dich nicht aufhalten!"

Qin Shuang starrte sie ungläubig an.

Sie und ihre Mutter hatten schon seit über zwei Jahren nicht mehr miteinander gesprochen... Sie konnte nicht glauben, dass sie jetzt, wo ihre Mutter sie erst heute Morgen daran erinnert hatte, zu frühstücken, bereits wieder auf Kriegsfuß stehen würden.

Wieder wegen Qin Lu...

Mit dieser Lage vor Augen sprach Xue Xi kein weiteres Wort und zog ihr Telefon aus der Tasche. Sie wählte 110 und als sie den Anruf tätigen wollte, rief Qin Lu in Panik: "Nicht!"'Xues Xis Finger verweilte auf der "Anrufen"-Taste, und sie drehte sich langsam um.

Alle im Büro richteten ihren Blick auf Qin Lu.

Sie erklärte mühevoll: "Mama, ich möchte diese Angelegenheit nicht weiter verfolgen, und du solltest es auch nicht tun. Qin Shuang ist schließlich meine Schwester und ich möchte nicht, dass sie im Gefängnis landet."

Frau Qin zeigte mit einem herzzerreißenden Gesichtsausdruck auf Qin Lu und sagte zu Qin Shuang: "Siehst du das? Sie denkt immer noch an dich, obwohl du sie reingelegt hast! Qin Shuang, wie kannst du nur so gewissenlos sein?"

Qin Shuang schwieg.

In Eile sagte Qin Lu: "Qin Shuang, solange du nicht die Polizei rufst, wird diese Sache vorbeigehen. Da das Geld nicht fehlt, Herr Liu, sollten wir es dabei belassen."

Frau Li war zynisch: "Schaut mal, das ist die Art von Redlichkeit, die man bei Schülern sieht, die in der Schule gut sind. Einige Menschen sind nicht nur unmoralisch, sondern schneiden auch noch schlecht in der Schule ab."

Xue Xi warf einen Blick auf Qin Lu und sah die Furcht und Nervosität in ihrem Gesicht, genau wie Qin Shuang, und beide versuchten, ein Lächeln zu bewahren. Sie wandte ihren Blick ab und sagte: "Es wäre besser, die Polizei zu rufen."

Sie drückte die "Anrufen"-Taste.

Als Qin Lu das sah, stürmte sie vor. "Nein!"

Doch Frau Qin ergriff ihre Hand und sagte: "Qin Lu, kümmere dich nicht um sie. Wenn sie die Konsequenzen ihres Handelns tragen will, lass sie machen!"

Der Anruf wurde gestartet und Xue Xi begann zu sprechen: "Hallo, hier ist…"

Bevor sie ihre Sätze beenden konnte, rief Qin Lu aus: "Ich war es, die es gestohlen hat!"

"…"

Plötzlich kehrte sich das Blatt und jeder starrte sie fassungslos an.

Als Xue Xi das hörte, legte sie langsam ihr Telefon weg und auf dem Display war zu sehen, dass sie den Anruf noch nicht gemacht hatte.

Ein paar Momente später stürzte Frau Qin auf Qin Lu zu und fasste sie an den Schultern. "Lulu, was redest du da?"

Qin Lu nahm einen tiefen Atemzug und sagte unter Tränen: "Mama, ich habe es gestohlen, bitte rufe nicht die Polizei! Ich werde die Summe bezahlen, okay?"

Als Frau Qin das hörte, hielt sie für zehn Sekunden inne. Nachdem sie sich von dem Unglauben erholt hatte, rief sie aus: "Lulu hat das nicht mit Absicht getan! Es muss Qin Shuang gewesen sein, die sie in die Enge getrieben hat, und sie wollte Qin Shuang nur eine Lektion erteilen! Herr Liu, Frau Li, bitte lassen Sie die Sache ruhen. Geld spielt keine Rolle und wir können jeden Betrag bezahlen, aber bitte geben Sie dem Kind keine Strafpunkte!"

Ihre Augen wurden rot. "Das wird das ganze Leben des Kindes beeinflussen!"

Qin Shuang stand neben Xue Xi. Als sie diese Szene sah, spürte sie nicht die Erleichterung, die sie erwartet hatte, als die Wahrheit ans Licht kam.

Wenn ihr etwas passierte, gab Frau Qin ihr zuerst eine Ohrfeige.

Aber wenn Qin Lu etwas zustieß, war Frau Qins erste Reaktion, sie zu schützen.

Sie waren zwar ein Zwillingspaar, aber Kinder, die zu weinen wussten, bekamen Süßigkeiten, doch sie war nie eine, die weinte.

Frau Li hatte nicht erwartet, dass sich die Dinge so entwickeln würden. Sie runzelte die Stirn: "Qin Lu, wie kannst du nur so etwas tun?"

Frau Qin sagte ängstlich: "Das ist nur eine Auseinandersetzung zwischen zwei Kindern, sieh mal..."

In diesem Moment waren Schritte von der Tür her zu hören. Die Stimme von Flamme Nummer Eins ertönte: "Aiyo, wie lebhaft!"

Alle drehten sich um und sahen Gao Yanchen an der Tür stehen, flankiert von Flamme Nummer Eins, Zwei, Drei und Vier. Die vier Rothaarigen stachen besonders ins Auge.